Saures Wasser verursacht kein Artensterben

Bislang gingen Forscher davon aus, dass die Versauerung der Meere viele Tierarten auslöscht. Eine neue Studie kommt zu anderen Ergebnissen.

Alle reden von der Versauerung der Meere. Dabei wird Kohlendioxid, das in die Atmosphäre gelangt, zu einem Großteil von den Meeren gespeichert. Bis zu ein Drittel des frei werdenden Kohlendioxids löst sich im Nass – und deshalb versauern die Ozeane immer weiter.

Was aber passiert, wenn der ph-Wert im Wasser sinkt, wissen Forscher noch nicht so genau. Naheliegend ist, dass Organismen wie Korallen oder Diatomeen, deren Leben auf Kalk basiert, große Probleme bekommen. Aber stimmt das? Oder hat die Evolution für solche Tiere eine Hintertür offen gelassen, eine bisher nicht erkannte Strategie, mit der das Leben im sauer werdenden Milieu fertig wird?

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass saureres Wasser für Tiere mit Kalkschalen den sicheren Tod bedeutet. Schnecken- und Muschelschalen werden dünner, Korallenriffe sterben ab und winzige Diatomeen können ihr Kalkskelett nicht mehr aufbauen. Je saurer das Meer, umso schwieriger das Überleben dieser Arten – und für viele Spezies dürfte die Ozeanversauerung das sichere Ende bedeuten.

Italienische und Schweizer Forscher haben auf der Suche nach einer Antwort weit in die Vergangenheit geblickt. Denn dass der ph-Wert im Meer sinkt, ist erst einmal kein einzigartiges Phänomen. In der Erdgeschichte haben große Vulkanausbrüche immer wieder die Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre und so auch im Meer in die Höhe getrieben. Das Team um Elisabetti Erba von der Universität von Mailand beschreibt die neuen Erkenntnisse in der aktuellen Ausgabe von „Science“.

In 120 Millionen Jahre alten Sedimentschichten aus einer Zeit nach einem großen Vulkanausbruch haben die Forscher sich die mikroskopisch kleinen Fossilien von Nanoplankton angesehen. Und wider Erwarten gab es kein großes Sterben unter diesen Organismen, als der Säuregehalt stieg. Die Arten passten sich nur auf ihre Art an: Sie bildeten nur noch kleinere Kalkschalen und blieben klein.

Dass die Organismengruppe aber ein massives Artensterben erlitten hat, konnten die Forscher nicht bestätigen. Offenbar steckten sie das saure Wasser besser weg als bislang gedacht. Die Studie ist eine Überraschung, täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass andere Lebewesen vielleicht nicht so flexibel sind wie das Nanoplankton.

Die Sedimentuntersuchung brachte noch eine weitere Überraschung: Offenbar versauern die Meere mit einiger zeitlicher Verzögerung: Nachdem der Vulkanausbruch im Oberflächenwasser den ph-Wert senkte, brauchten die Meerestiefen 25.000 bis 30.000 Jahre länger, bis auch hier der Kohlendioxideffekt ankam.

Pia Heinemann, WELT ONLINE, 26 July 2010. Full article.


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